Stewart Cassiar Highway

Es ist bereits nach fünf Uhr, als wir am Freitagnachmittag (5. Juni 2015) in Watson Lake wieder losfahren. Der Stewart Cassiar Highway (Highway 37) zweigt einige Kilometer westlich von Watson Lake nach Süden ab. Die schmale und kurvige Strasse führt während Kilometern durch ein Waldbrandgebiet. Tausende von toten Baumstämmen zeugen von einem einst dichten Wald. Erst an wenigen Stellen kehrt das Grün in Form von Gräsern und kleinen Streuchern langsam wieder zurück. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis hier wieder Tannen Schatten spenden. Wir fahren noch ein Stück weiter bis wir am Dease River eine schöne Recreation Site entdecken. Diese vom Forest Service gepflegten Plätze sind meistens sehr schön an Seen oder Flüssen gelegen und bieten mit Feuerstellen, Holztischen und Toiletten ausreichend Komfort - und das gratis!

Weiter südlich bei Dease Lake machen wir einen Abstecher Richtung Telegraph Creek. Gemäss Reiseführer eine historisch bedeutende Strasse, die atemberaubende Ausblicke auf den Stikine Canyon gewährt - in Wirklichkeit eine holperige Schotterpiste durch dichten Wald mit Null Ausblick. Nach dreissig Kilometern geben wir auf und kehren um.

Die nächste Möglichkeit für einen Abstecher bietet sich in Meziadin Junction an. Der Highway 37A führt von hier über 65 km nach Stewart an der Grenze zu Alaska. Trotz schlechter werdendem Wetter entscheiden wir uns für den Umweg und fahren noch bis zur Clemens Lake Recreation Site. Der kleine See liegt in einem schmalen Tal zwischen schneebedeckten Bergen. Das sehen wir jedoch erst am nächsten Morgen als sich die Regenwolken wieder verzogen haben.

Nachdem wir uns in Stewart bezüglich Grenzübertritt nach Alaska informiert haben gehen wir erst mal einkaufen. Auf dem Weg zurück zum Auto hören wir plötzlich jemanden fragen: "Händer alles übercho?". Drei etwa fünfzigjährige Männer sitzen lachend an einem Tisch vor dem Café. Obwohl wieder alle Englisch sprechen verrät sie ihr Akzent: ein Engländer, ein Deutscher und ein Schweizer. Wir plaudern eine Weile und versprechen am Nachmittag nochmals vorbei zuschauen. Dann brechen wir auf Richtung Alaska. Wie im Visitor-Center versprochen, fahren wir ohne Kontrolle über die Grenze nach Hyder. Eine Schotterpiste bringt uns hoch in die Berge. Unbemerkt überqueren wir wieder die Grenze nach B.C. und Uyarak arbeitet sich unermüdlich den Berg hoch. Nach 37 km stehen wir auf rund 1300 Metern über Meer auf einem kleinen Kiesplatz hoch über dem Salmon Glacier. Der Ausblick auf den Gletscher und die schneebedeckten Berge ist atemberaubend. Nach einem gemütlichen Mittagessen machen wir uns dann wieder auf den Weg zurück. Dabei führt die Schotterpiste natürlich zurück nach Alaska. Während sich die Amerikaner überhaupt nicht dafür interessieren, dass wir je da waren, wollen die Kanadier zwischen Hyder und Stewart doch plötzlich noch unsere Pässe sehen und wissen was wir denn so alles dabei haben. Nachdem wir die üblichen Fragen bezüglich Waffen, Alkohol und Lebensmittel beantwortet haben, dürfen wir zurück nach Kanada. Glück gehabt.

Zurück in Stewart kehren wir wie versprochen bei Cody Appenzeller ein. Dieser erzählt uns, wie er vor 50 Jahren nach Kanada kam und dass er nun bereits seit 30 Jahren diesen Laden hier in Stewart betreibt. Erst Stunden später verlassen wir Stewart wieder - mit einem Kilogramm Landjäger im Kühlschrank.

Am Maziadin-Lake finden wir ein gemütliches Plätzchen für die Nacht. Als wir nach dem Znacht lesend am See sitzen, höre ich einen kleinen Dieselmotor herantuckerln. Etwas überrascht drehe ich mich um und sehe einen alten Landy heranfahren. Chental und Jean Marie aus Südfrankreich sind unterwegs nach Alaska. Wir verbringen einen gemütlichen Abend zusammen am Lagerfeuer. Da unsere Französisch- und ihre Deutschkenntnisse für eine ernsthafte Unterhaltung zu sehr eingerostet sind, bleiben wir beim Englischen.

Gut 150 km vor Kitwanga verlassen wir den Highway 37 und fahren über eine Schotterpiste nach Westen bis New Aiyansh. Hier beginnt der Nisga'a Memorial Lava Bed Provincial Park. Gemäss mündlicher Überbringungen der Nisga'a ist hier ungefähr im Jahr 1700 der Aiyansh Vulkan ausgebrochen und hat ein mehrere Quadratkilometer grosses Gebiet unter einer bis zu 12 m dicken Lavaschicht begraben. Dabei wurde der Flusslauf verlegt und es entstanden neue Seen, aber auch 2000 Menschen verloren ihr Leben bei dieser Naturkatastrophe. Heute wechseln sich grüne Wälder mit dunklen, kargen Lavafeldern ab während sich im Hintergrund weisse, schneebedeckte Berge erheben.

In der Nähe von Terrace erreichen wir den Yellowhead Highway (Hwy 16) welchem wir bis an den Pazifik nach Prince Rupert folgen. Statistisch gesehen regnet es hier an zwei von drei Tagen. Genau zwei dieser Tage erwischen wir. Die Wanderung auf den Mount Blaine streichen wir daher und verbringen den Donnerstag in der Stadt.

Inside Passage

"Diesel? - Haben wir nicht!" heisst es am Freitagmorgen, als wir in Prince Rupert noch kurz Tanken wollen bevor wir zum Hafen fahren. Mit Hilfe eines Taxifahrers finden wir dann aber doch noch eine passende Tankstelle und sind trotz Umweg noch eine halbe Stunde zu früh am Hafen. Nachdem wir unsere Tickets abgeholt haben ist erst mal warten angesagt. Wie gewohnt zieht Uyarak einiges an Aufmerksamkeit auf sich und so sind wir schnell in ein interessantes Gespräch verwickelt. Mit gut 40 Minuten Verspätung beginnt dann das Verladen. Eine junge Hafenmitarbeiterin ist für das Einweisen der Fahrzeuge zuständig - so nervös wie sie herumzappelt vermutlich zum ersten Mal. Über Funk bekommt sie die Anweisungen welche Fahrzeuge als nächstes an der Reihe sind. Zuerst die zwei Reisecars aus Reihe neun. Während wir versuchen ihr Gefuchtel mit dem Leuchtstab zu deuten, manövrieren die beiden Chauffeure ihre Fahrzeuge gekonnt rückwärts in den Bauch der Fähre. Ob wohl alle rückwärts da rein müssen, fragen wir uns. Die Dame rudert nun bei Reihe eins mit ihrem Stöckchen und die ersten Pkws setzen sich in Bewegung... sie verschwinden vorwärts in der Fähre. Irgendwann sind dann wir in Reihe 7 dran und dürfen uns auf der Fähre rückwärts zwischen die beiden Reisecars quetschen. Es folgen noch ein paar RVs und ein Lastwagen bevor die Fähre pünktlich um elf Uhr ablegt.

Die Sonne hat die Regenwolken vom Vortag verdrängt und so können wir auf dem Sonnendeck zu Mittag essen - Landjäger mit Brot. Durch den 70 km langen und an der schmalsten Stelle gerade mal 400 m breiten Grenville Channel geht es an Pit Island vorbei nach Süden. Wir geniessen die traumhafte Aussicht an Deck und halten nach Walen, Bären und anderem Wildlife Ausschau. Den ersten Zwischenstopp legt die Fähre in Boat Bluff ein. Bis Sonnenuntergang erreichen wir Bella Bella. Während sich der Kapitän für ein paar Stunden hinlegt, versuchen auch wir etwas zu schlafen. Nicht so einfach auf den unbequemen Sitzen. Irgendwann machen wir es dann so wie die Einheimischen - wir legen uns einfach auf einer Decke auf den Boden. Wenige Stunden später, bei den ersten Sonnenstrahlen setzt sich das Schiff bereits wieder in Bewegung. Während Fränzi noch tief und fest schläft halte ich draussen Ausschau nach Walen - mit mässigem Erfolg, mehr als eine abtauchende Heckflosse ist leider nicht drin. Nach 22 Stunden, unzähligen Inseln und schmalen Passagen kommen wir am Samstag pünktlich um 9 Uhr in Port Hardy auf Vancouver Island an.

Vancouver Island

Die über 450 km lange und rund 100 km breite Insel wollen wir in 8 Tagen erkunden. Unser erstes Ziel ist der Cape Scott Provincial Park im äussersten Nordwesten der Insel. Nach 50 km staubiger Kiespiste erreichen wir Holberg, eine kleine Ortschaft mitten im Nirgendwo. Überrascht stehen wir am Ortsausgang vor einem grossen Schild "Road closed". Kurz zögern wir, doch nach drei Monaten sind wir Kanadier genug um zu wissen, solche Schilder sind nur eine Empfehlung. Also weiter. Die Entscheidung war richtig, ohne auf ein Hindernis zu stossen kommen wir kurz vor der Parkgrenze am Ronning's Garden vorbei.

Gelegen an der alten und nie fertig gestellten San Josef Wagon Road hat hier bis 1960 Bernt Ronning gelebt. Um sein Haus herum hat er 20'000 m² Regenwald abgeholzt und einen grossen Garten mit Pflanzen aus aller Welt angelegt. Nach seinem Tod ist das Haus verfallen und der Wald hat das Grundstück Stück für Stück zurückerobert. Erst vor wenigen Jahren wurde der Garten wieder freigelegt und so begannen durch das nun wieder vorhandene Sonnenlicht die seit Jahrzehnten im Boden schlummernden Samen zu spriessen. Heute ist der Garten wieder eine Oase mit exotischen Bäumen, Streuchern und Blumen. Jedes Jahr wird wieder irgendwo etwas neues entdeckt und so konnte bis heute noch nicht alles identifiziert werden, was da so wächst.

Ein paar Kilometer weiter, direkt an der Parkgrenze landen wir auf dem Campingplatz von Doug. Er lebt hier seit Jahren total abgeschieden und betreibt einen netten kleinen Campingplatz mitten im Regenwald. Nachdem wir ein Plätzchen für Uyarak gefunden haben, machen wir uns auf zum Strand an der San Josef Bay. Vier Kilometer später treten wir aus dem Regenwald hinaus auf den breiten, weissen Sandstrand. Es ist gerade Ebbe und auf den dadurch freigelegten, zerfurchten Felsen sind kleine "Natur-Aquarien" zurückgeblieben. In diesen können wir Seeanemonen, Krebse, kleine Fische und viele andere Meeresbewohner aus nächster Nähe betrachten. Im warmen Sand liegend vergeht die Zeit wie im Flug und so ist es bereits viel später als geplant, bis wir zurück auf dem Campingplatz sind. Während Fränzi sich um die Kartoffeln und das Gemüse kümmert, sorge ich für die passende Glut für das grosses Stück Lachs, welches wir am Morgen auf der Fähre geschenkt bekommen haben. Ein herrliches Abendessen nach einem langen aber sehr schönen Tag.

Den selben Weg zurück nach Port Hardy oder besser etwas Abkürzen über Cole Harbour? Wir wählen natürlich den Weg von Holberg über Cole Harbour zurück zum Highway 19. "North Easern Main" heisst die Strasse was uns auf eine gut präparierte Piste hoffen lässt. Doch nichts gewesen, stellenweise kommen wir kaum noch im Schritttempo voran. Nach rund 20 km wird es dann aber besser, hier zweigt eine Piste nach Norden ab, welche scheinbar öfters befahren wird und so sind die letzten 30 km bis nach Coal Harbour kein Problem mehr. Nur noch wenige Kilometer trennen uns hier vom Highway über welchen wir innert kurzer Zeit Port McNeill erreichen. In der Nähe der Abzweigung nach Telegraph Creek übernachten wir in einem gerodeten Waldstück. Während der Wald erst ganz zaghaft nachwächst, fühlen sich die Vögel hier sehr wohl. So können wir einen Kolibri beobachten, welcher um Uyarak herumschwirrt. Dieser nur 3 bis 4 g schwere Vogel führt im Flug 40 bis 50 Flügelschläge pro Sekunde aus und bewegt sich unglaublich wendig und schnell durch das Gebüsch. Etwas weiter entfernt können wir das andere Extrem der hiesigen Vogelwelt beobachten, ein Weisskopfseeadler. Mit bis zu 2.5 m Flügelspannweite und 6 kg Gewicht ein äusserst imposanter Vogel. Wir beobachten ihn, wie er dem Gekreisch aus einem Rabennest folgt und sich auf der Tanne nebenan in Stellung bringt. Es folgt eine lautstarke Intervention des Raben, welche den Adler jedoch nicht beeindruckt. Er sitzt seelenruhig da und beobachtet etwas auf der gegenüberliegenden Tanne - wir vermuten es ist das Nest des Raben. Minuten später hebt der Adler ab, sticht in die andere Tanne und fliegt davon. Ob er etwas erbeutet hat wissen wir nicht. Am Montag und Dienstag folgen wir dem Highway 19 weiter Richtung Süden. Wir besuchen kleine Provincial Parks, spazieren an Stränden und durch kleine Dörfer. In Qualicum Beach biegen wir auf den Highway 4 nach Westen ab.

Am Mittwochmittag erreichen wir die Westküste bei Ucluelet und besuchen den Pacific Rim National Park. Regenwald und traumhafte Strände erwarten uns hier. Zu unserem Glück hat es trotz gutem Wetter sogut wie keine Leute an den Stränden und wir geniessen einen ersten ausgiebigen Spaziergang am Wickaninnish Beach. Langsam fahren wir durch den Regenwald Richtung Norden. Erst gegen Abend erreichen wir das nur knapp 30 km entfernte Tofino - es gibt hier einfach zu viele schöne Strände. Tofino selber ist zwar hübsch anzusehen, vom ursprünglichen Surfer-Charm ist jedoch nicht mehr viel übrig geblieben. Nach einer ruhigen Nacht auf dem Surfer Junction Campground werden wir nicht wie gewohnt von der Sonne, sondern von Tropfen auf dem Dach geweckt. Es regnet. Nach einem kurzen Ausflug nach Ucluelet geht es zurück durch die Berge an die Ostküste. Nach etwas längerem Suchen finden wir in der Nähe von Duncan einen Platz für die Nacht.

Als ich am Morgen gerade das Tarp zusammenlege, kommen Josef und Joyce vorbei. Wie wir schnell feststellen, ist Josef ursprünglich aus Kernten, hat aber viele Verwandte in Hard (bei Bregenz) und kennt daher das Rheintal gut. Spontan laden sie uns zum Kaffee ein und wir verbringen zwei lustige Stunden mit den beiden. Anschliessend brechen wir auf nach Victoria, aber nicht ohne zuerst die vielen Totempfähle in Duncan zu besuchen.

Nachdem wir uns einmal quer durch Victoria durchgekämpft haben, parkieren wir Uyarak südlich vom Beacon Hill Park direkt an der Küste. Nach einem kurzen Vesper am Meer spazieren wir durch den Park nach Downtown und weiter ins älteste Chinatown von Kanada. Fürs Abendessen gehen wir zu Hank's Untraditional BBQ an der Douglas Street. Das Restaurant bietet gerade mal Platz für 14 Personen, es werden nur Zutaten aus der Umgebung verwendet und alles ist selbstgemacht, sogar der Ketchup. Absolut empfehlenswert!