Geschrieben von franzi am
Mit der Ankunft des Frühlings hat sich an unserem Reisealltag so einiges verändert. Wir verabschieden uns von Walmart und Visitorcenter Übernachtungsstellen, vom Kochen und Essen im Auto, dem kalten Wind welcher teils für enge Nächte mit geschlossenem Hubdach gesorgt hat, den menschenleeren Strassen UND den eher mühsamen Motel Übernachtungen.
Von Pembroke fahren wir auf dem Trans-Kanada Highway 210 km Richtung Westen wo wir es uns kurz vor North Bay auf dem Elk Lodge 25 Family Park gemütlich machen. Das Wetter ist einfach herrlich. Während Martin mit Rosetta Stone fleissig Spanisch lernt, gibt es bei mir die erste Kanadische Musikprobe. Am Abend grillieren wir das erste Mal Fleisch und geniessen dazu einen Frühlingssalat. Unglaublich wie teuer dieser hier in Kanada ist.
Auch am nächsten Tag legen wir einige Kilometer zurück. Kurz nach Sudbury sehen wir einen alten Land Rover Discovery mit offener Motorhaube auf der Gegenspur stehen. Kurzerhand drehen wir um und fragen nach ob wir helfen können. Das junge Paar wollte soeben auf die Hochzeit einer guten Kollegin. Da das Auto Kühlflüssigkeit verliert geben wir gerne unsere soeben eingekauften Wasservorräte her und begleiten die beiden noch bis zur nächsten Tankstelle. Als er da den Behälter des Kühlwassers öffnet kommt uns das Problem altbekannt vor. Es hat Abgas im Kühlkreislauf, so dass es wie wild nach oben schäumt. Martin und ich ahnen Böses, denn unsere Reparatur hat damals einige Zeit in Anspruch genommen. Während sich die Beiden ein Taxi organisieren, machen wir uns wieder auf den Weg in die Gegenrichtung. Für die Übernachtung haben wir einen guten Tipp bekommen. Nicht weit vor Thessalon hat es 12 Hausplätze welche zum Verkauf ausgeschrieben sind. Die Zufahrten sind bereits präpariert und so wählen wir Nr. 12 mit einer eigenen Bootanlegestelle.
In Sault Ste Marie angekommen gibt es für uns leider keine Schleusen zu besichtigen. Die Touristenboote fahren erst Ende Mai. So begnügen wir uns mit einem Spaziergang der Promenade entlang bis wir an eine Marschmusikparade kommen. Ich finde das ziemlich amüsant, denn wo bei uns die Ehrendamen mit bunten Blumen vorangehen, ist es hier ein farbig blinkendes Polizeiauto. Meine Freude an der Musik ist dann auch beim ersten Ton bereits verschwunden. Sogar Martin hat sich beinahe die Ohren zugehalten. Da ist wohl noch etwas Üben angesagt. ;-)
Kurz nach Sault Ste Marie gelangen wir an den Lake Superior. Dies ist der grösste Binnensee der Welt und beeinflusst mit seiner riesen Menge an Wasser sogar das Klima. Die kommenden 700 Kilometer werden wir mit einem traumhaften Ausblick auf den See geniessen, denn die Strasse führt fast immer Nahe dem Ufer entlang. So sitzen wir gut gelaunt im Auto, geniessen die gewaltige Landschaft und hören Countrymusik. Gut, dass unser Uyarak ein langsames Reisetempo vorgibt, sonst hätten wir den grauen, etwas schüchternen Wolf am Strassenrand bestimmt übersehen. Wir sind beide ganz aus dem Häusschen denn einen Wolf zu sehen haben wir wirklich nicht erwartet.
Von Pancake Bay bis zum White Lake Provincial Park ist die Landschaft einfach atemraubend. Grüne Tannen so weit das Auge reicht, überall traumhafte Seen (insgesamt etwa 200'000 in Ontario) umgeben von roten Felsen. Ein richtiges Naturerlebnis. Am Nachmittag folgen wir einer dieser vielen Abzweigungen in den Wald hinein und gelangen an einen super Stellplatz. Gleich nebenan haben Biber das Wasser gute 2 m gestaut. Kurz die Campingstühle ausgepackt schaut ein braunes Pelztier bereits neugierig aus dem Wasser. Am Abend erhalten wir Besuch von einem Jäger. Nach einigen Schüssen kommt er auch schon zurück und wir können seine Beute (2 Spruce Grouse) begutachten. Biberaction pur haben wir am nächsten Morgen. Erstaunt vom lärmigen Erwachen schauen wir aus dem kleinen Dachfenster. Die Sonne scheint direkt auf den mit Nebelschwaden überzogenen See und wir können 3 fleissige Biber beim Dammbau beobachten.
Alles zusammengepackt geht es in den nahegelegenen Pukaskwa Nationalpark. Der Reiz ist gross denn im Reiseführer steht "Trekking im Pukaskwa NP nur mit Wildniserfahrung möglich". Vorerst entscheiden wir uns für einen kleinen Trail da wir nur 1.5 Liter Wasser dabei haben. Für dieses kleine Stück muss ich nicht einmal eine Trekkinghose anziehen. Doch als wir dann losmarschieren entdeckt Martin, dass der lange Trail (insgesamt 60 km) viel cooler wäre, denn er führt zu einer Hängebrücke. Spontan entscheiden wir dieser Route so lange zu folgen bis wir die Hälfte des Wassers getrunken haben. Das Abenteuer kann beginnen. Wir huschen über einen langen Holzsteg der 1 cm unter Wasser steht, springen von einer trockenen zur anderen trockenen Stelle um nicht im Sumpf zu landen, über und unter Baumstämmen durch und immer wieder geht es durch knietiefen Schnee. Ihr könnt euch denken wie meine frisch gewaschene Jeans nach nur 10 Minuten ausgesehen hat. ;-) Es macht richtig Spass, denn das ganze gleicht eher einem Hindernislauf als einem Wandertrail. Super schön ist der dichte Wald, die mit grünem Moos überzogenen Felsen und die Bucht an welcher wir nach gut 5 km Rast machen. Noch weiter solls gehen denn wir haben das Wasser schön aufgespart. Als wir dann nach weiteren 4 km ein lautes Rauschen hören ahnen wir, dass Martins Hängebrücke nicht mehr allzu weit ist. Nur Minuten später stehen wir auf der Brücke bei den Chigaamiwinigum Falls und sind absolut perplex. So etwas hatten wir nicht erwartet. Eine tiefe Schlucht liegt unter uns und der Fluss bringt gewaltige Mengen an tosendem Schmelzwasser. Erst Nachmittags um 16 Uhr sind wir nach insgesamt 19 km zurück beim Parkplatz.
In Marathon angekommen treffen wir Dale aus Nova Scotia. Mit seinem knitsch gelben alten Wohnmobil parkt er direkt vor dem geschlossenen Campingplatz. Nur 5 Minuten später trinken die Jungs bereits Bier und ich habe einen feinen Likör bekommen. Die Nacht wollen wir ebenfalls auf dem Parkplatz verbringen da wir hier ja gute Gesellschaft haben. Doch bevor wir uns ausbreiten, möchten wir eigenes Bier einkaufen gehen. Vor dem Shop angekommen treffen wir auf den Community Manager welcher uns persönlich begrüsst. Obwohl der Campingplatz geschlossen ist sollen wir es uns da nur recht gemütlich machen, die Toiletten beim Spielplatz seien geöffnet und wenn wir eine Dusche benötigen dürfen wir gerne im Hallenbad nachfragen. Beim Wort Dusche strahlen wir beide wie Kleinkinder. Nach 3 duschfreien Tagen sowie den beim Wandern gesammelten Schweisstropfen, können wir uns schon fast selber nicht mehr riechen. So marschieren wir beide mit dem Badetuch ins Hallenbad und die Angestellten grinsen uns bereits entgegen: "Are you the guys coming only for a shower?" Es ist herrlich!!!
Am nächsten Morgen begrüsst uns die Sonne und wir bemerken beim Frühstück, dass das WLAN auf dem geschlossenen Campground offen ist. Spontan beschliessen wir einen Ruhetag einzulegen. Erneut lesen wir, lernen Spanisch, Skypen mit unseren Lieben und zwischendurch kommt immer wieder Dale auf einen Schwatz (und ein Bier) vorbei. Natürlich reicht die Zeit auch noch um Bier einzukaufen und so sitzen wir am Abend ganz gemütlich im Wohnmobile von Dale und plaudern über seine Arbeit in der Edelmetallmine, den Umbau seines Wohnmobils und über die politischen Unterschiede zwischen der Schweiz und Kanada. Dale wird Morgen früh nach Alberta (rund 2400 km) durchfahren da er gerade ein Jobangebot für 6 Monate in einer Mine erhalten hat. Die restliche Zeit des Jahres verbringt er dann wieder Zuhause in Nova Scotia.
Kurz vor Thunder Bay besuchen wir das Terry Fox Monument. Es zeigt einen jungen Läufer mit einer Beinprothese. Mit 18 Jahren ist Terry an Knochenkrebs erkrankt. Nach seiner Beinamputation begab er sich auf den Marathon of Hope um Geld für die Krebsforschung zu sammeln. Jeden Tag legt er 40 km zurück. Nach 143 Tagen und 5300 km kurz vor Thunder Bay musste er aufgeben da der Krebs erneut zuschlug. Im Folgejahr ist er mit gerade einmal 22 Jahren verstorben. Der Terry-Fox-Run ist auch heute noch der grösste Fundraiser für die Krebsforschung und findet jährlich in ganz Kanada statt.
300 km westlich von Marathon spazieren wir am Freitagnachmittag in den Canadian Tire in Thunder Bay. Martins Lieblingsstore in Canada enthält alles was Männerherzen höher schlagen lässt. Ich zieh ihn immer auf mit dem Spruch "jojo min Schatz häd wieder krömlat". Kurz eingekauft treffen wir auf Dane, dessen Frau ebenfalls aus der Schweiz, dem Emmental kommt. Eine Stunde später sitzen wir mit ihm und seiner ganzen Familie (Dan und Renate mit Elisa, Mariah und Timy) am Esstisch. Wir sind überwältigt von der herzlichen Gastfreundschaft denn wir dürfen bei ihnen im Vorgarten übernachten und Renate hat uns spontan zum Abendessen eingeladen. Nachdem Essen gehen wir zusammen spazieren und wir erfahren mehr über die Familie. Dan und Renate teilen sich eine 100% Stelle als Sozialarbeiter im Indianer Reservat Fort Williams. Eine traurige Geschichte, denn vor gut 150 Jahren hat man allen Indianer die Kinder weggenommen und in Heime gebracht. Dadurch gingen Kultur und Traditionen verloren. Was nun übrig bleibt sind ganze Familien mit Selbstmordgedanken, denn viele der Kinder wurden in den Heimen missbraucht und sind später dem Drogen oder Alkoholkonsum verfallen. All das Elend versuchen Dan und Renate mit ihren wenigen Helfern zu lindern. Sie lehren den Jungen wie man kocht, sich selber organisiert und ein Handwerk womit sie Geld verdienen können. Im Reservat Fort Williams leben heute noch knapp 800 Indianer. Die Abwanderung ist gross und so ist es nur eine Frage der Zeit bis sie das Landrecht verlieren.
Auch am Samstag bleiben wir noch in Thunder Bay denn wir sind eingeladen mit Dans Familie eine Kanu- und Kajaktour zu machen. So paddeln wir gemütlich mit Dan, Elisa und Mariah und versuchen zwischendurch unser Glück beim Fischen. Anschliessend geht's zu Dans Bruder Scott nach Kakabeka Falls. Nur kurze Zeit später sehe ich Martin, mit einem riesen Grinsen im Gesicht, auf dem Quad von Dan vorbeirasen. Am frühen Abend wird zusammen gegrillt und dann heisst es leider bereits Abschied nehmen.
Liebe Renate, Lieber Dane
Nochmals möchten wir uns von ganzen Herzen für die unglaublich liebevolle Gastfreundschaft bedanken! Wir haben die 2 Tage mit euch richtig genossen. Der selber gebackene Zopf war super fein und die Blueberry Kekse haben auch keine 24h überlebt. ;-)
Wir würden uns über einen Besuch in der Schweiz sehr freuen!
Liebe Grüsse Fränzi und Martin
Von den Kakabeka Falls aus geht unsere Reise weiter auf dem Hwy 17 über Dryden und Kenora Richtung Manitoba.
Fotos
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Kommentare
terramagna antwortete am Permanenter Link
Tolle Bilder wieder mal. Gefallen hat mir das vom Terry Fox Memorial :-) ...weiterhin gute Reise !
danielhutter antwortete am Permanenter Link
Wie immer en tolla Bricht Fränzi :)
Und Fotis sind ofach hammer...Canada halt :)
Grues usem Rhintal
Daniel