Fahrzeugabholung in Halifax

Schon sehr lange haben wir auf diesen einen Tag gewartet. Am 2. April ist es endlich soweit und wir dürfen unseren Land Rover am Hafen von Halifax in Empfang nehmen. Doch vorerst ist die übliche Bürokratie zu erledigen. Bereits um 08:30 Uhr - pünktlich zur Büroöffnungszeit - treffen wir beim Spediteur ein und lernen im Warteraum Simona und Stefan kennen. Aus Deutschland angereist, haben Sie ebenfalls eine längere Auszeit geplant und wir plaudern während wir auf die Zolldokumente unserer Fahrzeuge warten. Als die Beiden kurze Zeit später bereits mit den Dokumenten in der Hand zum Zoll marschieren erfahren wir hingegen, dass unsere Papiere noch gar nicht eingetroffen sind. Vorerst versuchen wir ruhig zu bleiben, gut wissend, dass der Hafen bereits um 11:30 schliesst und danach ein langes Osterwochenende bevorsteht. Während die Uhr tickt rechnen wir bereits aus, was uns fünf Extranächte in Halifax kosten würden. Um 10:15 Uhr als wir die Hoffnung schon fast aufgegeben haben, kommt ein erlösendes Telefonat. Unsere Fahrzeugpapiere sind soeben eingetroffen! Jippiii! Nur einige Minuten später hetzen wir mit den vier Papieren in der Hand die 600 m zum Zollgebäude. Als dann aber die Zollbeamtin bemerkt, dass eine Stelle der Fahrgestellnummer auf dem Formular nicht mit den Fahrzeugpapieren übereinstimmt, bleibt uns erneut der Atem stehen. In der Schweiz hätte uns dies bestimmt eine Menge Ärger eingebracht aber hier in Halifax nimmt Sie dies relativ gelassen zur Kenntnis. Nach einigen Fragen bezüglich der Einfuhr des Fahrzeugs stempelt Sie unsere Dokumente für den nächsten Schritt ab. Wir laufen zur Bushaltestelle doch der Bus fährt gemäss Plan erst in 10 min. Kurzerhand stoppen wir ein Taxi welches uns zum Hafengelände bringt (15min). Nun heisst es Leuchtwesen anziehen und die Unterlagen beim Hafenpersonal vorzeigen. Anschliessend werden wir mit einem PKW ins Hafengelände gefahren. Zwischen vielen rostfarbigen Container erblicken wir endlich unseren grünen Reisegefährten. Während wir Uyarak auf allfällige Schäden inspizieren scheint uns die Sonne ins Gesicht und wir sind richtig froh, dass alles noch da ist wo wir es zurück gelassen haben.

Nach einigen kurzen Stops haben wir bereits die gefälschten französischen Nummernschilder montiert ;-), das Gepäck beim Hotel aufgeladen und beim CAA (Canada Automobileclub) ein ganzes Bündel an Kartenmaterial kostenlos abgeholt. Um unseren Kühlschrank zu füllen fahren wir beim Walmart vorbei und starten einen zweistündigen Einkaufsbummel.

Da wir die erste Übernachtung im Landy nicht auf dem Walmart Parkplatz verbringen möchten, fahren wir noch gut 50 km Richtung Westen bis nach Peggy's Cove. Peggy's Cove ist ein kleines, idyllisches Fischerdörfchen mit einem in die Höhe ragenden, weissen Leuchtturm am Meer. Wir amüsieren uns als auch Pancho - das Fahrzeug von Simona und Stefan - auf dem Parkplatz neben dem Leuchtturm vorzufinden ist. Nach einem Spaziergang durch das Dörfchen und einigen Fotos vom Leuchtturm fallen wir müde in unser 1.20 m Bett. Bereits in der ersten Nacht bin ich froh darüber nicht nur den Schlafsack sondern auch meine warme, kuschelige Bettdecke eingepackt zu haben. :-)

Von Peggy's Cove nach Liverpool

Am nächsten Morgen besuchen wir das Denkmal des Swissair 111 Absturzes vom 2. September 1998 welches kurz vor der Küste bei Peggy's Cove wegen Kontrollverlust in den Atlantischen Ozean gestürzt ist. Dies war das schwerste Unglück der Swissair und hat 229 Opfer gefordert. Obwohl dies lange Zeit zurück liegt, lassen die frischen Schnittblumen am Denkmal erkennen, dass das Unglück nicht in Vergessenheit geraten ist.

Weiter der hügeligen Küstenstrasse entlang geniessen wir den schönen Anblick des Meeres und die Einsamkeit. Wie es scheint sind wir zu dieser Jahreszeit nämlich fast die einzigen Reiselustigen. Unzählige kleine und grosse Seen hat es in dieser Gegend und überall warten Fischerboote und Hummerfallen darauf in Betrieb genommen zu werden. Doch heute erinnert nichts daran, dass es bereits April ist und viele Häussschen sind noch bis oben an die Haustüre hin mit Schnee bedeckt. Normalerweise beginnt um diese Zeit bereits der Frühling. In den vergangenen 3 Wochen haben uns aber jenste Kanadier vom Jahrhundertwinter 2015 berichtet, der den Frühling noch etwas auf sich warten lässt. Am frühen Nachmittag treffen wir bereits in Lunenburg ein. Häuschen in allen bundten Farbtönen und ein prachtvoller Hafen lassen Fotografenherzen höher schlagen. Wir planen kurz beim Campingplatz vorbeizufahren um zu schauen ob die Anlagen bereits geöffnet haben. Als wir jedoch sehen, dass das ganze Gelände noch unter einem Meter Schnee liegt drehen wir um und fahren weiter. Somit verbringen wir die Nacht ganz gemütlich - wie zwei "Schnüüüzer" (gäll Alex) ;-) - auf dem Walmart Parkplatz in Bridgewater. Umso schöner ist es, als sich kurze Zeit später Simona und Stefan zu uns auf den Parkplatz gesellen. Am Abend kochen wir gemeinsam und quatschen noch lange bis es uns zu frösteln beginnt und wir uns in die warmen 4 Landywände verkriechen.

Kejimkujik National Park

Geplant haben wir eine Fahrt bis zum Kejimkujik National Park Seaside und dann eine gemütliche Nacht im Landy am Besten gleich am Eingang des Nationalparks. Wenn ihr aber unsere Reiseroute etwas genauer betrachtet fällt schnell auf, dass wir den Weg Liverpool zum Kejimkujik National Park Seaside anstatt 2x gleich 4x zurückgelegt haben. Als wir nämlich am Nachmittag da ankommen hat es nirgends ein Plätzchen für unseren Landy. Auf der nassen Kiesstrasse legen wir gleich eine 20cm tiefe Fahrspur, welche ein unauffälliges campieren im Nationalpark wohl unmöglich macht. Aus diesem Grund fahren wir nochmals zurück nach Liverpool in das Best Western Hotel Plus, ein riesiges Hotel worin wir die EINZIGEN Gäste sind - wir bekommen trotzdem nur 1 Zimmer ;-). Da alle Campingplätze noch geschlossen sind und draussen noch Minustemparaturen herrschen, können wir weder unseren 90 Liter Wassertank füllen, noch duschen. Somit müssen wir (der Körperhygiene zuliebe) jede 3te Nacht im Hotel verbringen. Witzig schaut es dann jeweils im Badezimmer aus, wenn wir das ganze dreckige Geschirr vom Vortag abwaschen. ;-) Am nächsten Morgen um 08:00 sind wir bereits wieder im Nationalpark und finden da Pancho ohne seine Besitzer vor. Wir starten den Trek kurze Zeit später und schauen, dass wir den Loop in die gegensätzliche Richtung gehen, damit wir Simona und Stefan einen guten Morgen wünschen können. Der Trail führt bei strahlendem Sonnenschein durch lose Wälder und anschliessend ein Stück der Küste entlang. Auf halben Weg treffen wir dann noch das letzte Mal auf Simona und Stefan. Sie planen der Küste zu folgen während wir die Nova Scotia quer durchfahren und beim grossen Kejimkujik National Park Halt machen.

Nach einer 2 stündigen Autofahrt treffen wir beim grossen Kejimkujik National Park im Landesinnern ein. Doch wir trauen unseren Augen nicht als wir bemerken, dass die Strasse bereits nach wenigen 100 Metern unter einer meterdicken Schneeschicht verschwindet. Beim Ranger fragen wir nach ob es erlaubt ist, die Nacht auf dem Parkplatz im Nationalpark zu verbringen und erklären ihm unsere Situation. Nebst dem dass noch alle Campingplätze geschlossen sind, haben die Kanadier bei dieser riesen Menge an Schnee auch nur diejenigen Strassen freigeräumt, welche rege in Betrieb sind z.B. Hauszufahrten. Somit gestaltet es sich eher schwierig ein Plätzchen für Uyarak für die Übernachtungen zu finden. Sichtlich angetan von unserer misslichen Lage erwähnt der Ranger mehrmals, dass es zwar nicht gestattet ist hier zu campieren, er aber heute bereits um halb fünf nach Hause gehe. SOLLTE er uns am Morgen auf dem Parkplatz vorfinden, würde er uns nur einen guten Morgen wünschen (what a nice guy). Dieses indirekte Angebot nehmen wir gerne an und nach einem kurzen Spaziergang durch den schneebedekten Wald öffnen wir bereits bei Einbruch der Dunkelheit unser Hubdach. Am Ostermontag kurz vor 8 Uhr in der früh marschieren wir, in warme Kleider eingepackt die meterhoch, verschneite Strasse entlang welche in den Nationalpark führt. Keine Autos, keine Menschen, nur das knarren des Schnees unter uns und die Sonne welche hinter uns aufgeht, uns wärmt und begleitet. Nach rund 5 km erreichen wir den Big Dam Lake.

Bay of Fundy

In Digby angekommen bemerkt Martin, dass der Schalter vom Abblendlicht defekt ist... ups. Da in Kanada das Tagfahrlicht aber nicht gesetzlich vorgeschrieben ist (soviel wir wissen), ist dieser Defekt vorläufig gut zu verkraften. Sobald wir wieder Internet haben, werden wir das Ersatzteil bestellen. Von Digby aus führt die hügelige Strasse der Halbinsel entlang bis nach East Ferry. Mit der Fähre geht es zur Long Island wo uns das Visitor Center in Tiverton die Einzige Übernachtungsmöglichkeit weit und breit bietet. Als wir am frühen Morgen die Augen öffnen bemerken wir gerade noch, dass uns das Hubdach entgegenkommt. Ich drücke es hoch während Martin aus dem Schlafsack kriecht *brrrr*, sich warm einpackt und nach draussen geht um sicherzustellen, dass wir beim schliessen des Hubdachs den dicken Gortexstoff nicht einklemmen. Die Nacht hat die ganze Gegend inkl. unserem Landy nochmals in 20 cm Nassschnee gekleidet, was für unser Hubdach wohl etwas zu viel war. Trotz schneebedeckten Strasse fahren wir laaangsam weiter da wir in Tiverton den Balancing Rock begutachten möchten. Beim zweiten Anlauf finden wir den Start des Trek und schnallen unsere Schneeschuhe um. Der Trail führt 1 km bis zur Küste und dann eine Treppe hinunter bis zum Balancing Rock. Die kleine Wanderung ist malerisch und erneut sind wir die Einzigen welche dieses Spektakel im Wintermantel begutachten.

Anschliessend fahren wir über Bridgtown bis nach Kentville und auf der Suche nach einem schneefreien Stellplatz weiter bis nach Blomedon. Am nächsten Morgen auf der Rückfahrt nach Wolfville entdecken wir in den Baumkronen sechs imposante Weisskopfseeadler. Dieser Adler ist auch das Wappentier der USA. Mit einer Flügelspannweite von bis zu 2.50 m, einem Gewicht von max. 6.3 kg kann er eine stattliche Grösse von 90 cm erreichen. Weißkopfseeadler sind nach dem Kalifornischen Kondor die größten Greifvögel Nordamerikas. ... und nein, wir können keinen mit nach Hause bringen. ;-)

Minas Basin

Gewaltige Gezeiten können wir im Minas Basin von Wolfville bis nach Truro und der gegenüberliegenden Uferseite bis nach Parrsboro begutachten. In dieser Bucht steigt und senkt sich der Wasserspiegel bei Ebbe und Flut um bis zu 18 Meter. Über 100 Billionen Tonnen Wasser fliessen 2x täglich in und wieder aus der Bay of Fundy. Diese Menge an Wasser würde 1 Jahr, 8 Monate und 4 Tage benötigen um die Niagarafälle hinunterzurauschen.

Die folgende Nacht verbringen wir am Strand von Parrsboro. In der Winterzeit haben sich riesige Eisschollen gebildet welche nun bei Ebbe den Strand bedecken. Den ganzen Nachtmittag geniessen wir bei strahlendem Sonnenschein und warmen 10 Grad. :-) Am Abend entdeckt Martin, dass das Wasser dem ganzen Ufer entlang kleine Blasen wirft. Fassungslos stehen wir 10 min am Strand, hören und sehen zu wie es blubbert. Die grosse Frage ist nur wieso?

Für die kommende Nacht hat uns die Wettervorhersage 30 km/h angekündigt. Die Nacht ist sehr klar und somit eisig kalt. Als wir gegen 10 Uhr Abends das Hubdach öffnen, wird dieses vom seitlichen Wind schon fast wieder herunter gedrückt. Schweren Herzens entschliessen wir uns dafür, die Nacht im geschlossenen Landy zu verbringen. Das Risiko, dass die Gasdruckfedern des Hubdachs bei dem Wind nachgeben, ist einfach zu gross. Doch bei Wind das Hubdach einklappen ist ein grösseres Unterfangen als wir gedacht haben. Die Türe bläst es mir bereits aus der Hand als ich diese nur einen Spalt öffne. Beim Schliessen des Daches ist das ganze etwa so aufgepustet wie ein Ballon und ich eile umher um dafür zu sorgen, dass der Gortexstoff beim hinunterklappen des Daches nicht wieder eingeklemmt wird. Endlich... es ist geschafft. Nur noch kurz das Tischchen auf Betthöhe klappen und das zusätzliche Holz zur Bettverlängerung montieren. Anschliessend haben wir auch im unteren Stock unseres kleinen Hauses eine wunderbar warme und angenehme Nacht.:-)

Als wir am nächsten Morgen aufwachen wackelt das ganze Auto da es draussen immernoch unglaublich fest windet. Heilfroh die richtige Entscheidung getroffen zu haben fahren wir von Country Musik umschwingt (und ich, wie immer laut mitsingend) in die kleine Stadt Porsborrow hinein um bei Tim Hortons eine Kaffepause einzulegen. Doch als wir aussteigen bemerkt Martin gleich den "fast" Platten am Vorderrad. :-O Zum Glück hat unser Auto einen eigenen Kompressor und so können wir den Pneu noch kurz aufpumpen bevor wir ins warme Kaffee flüchten. Am Fensterplatz des Kaffees beobachten wir wie unserem Gütschli langsam wieder die Luft ausgeht. Kurze Zeit später wechselt Martin beim Visitor Center um die Ecke das Rad. Gut, dass wir 2 Ersatzräder dabei haben!

Gleich beim Visitor Center befindet sich auch das Fundy Geological Museum und wir gönnen uns eine Reise durch die Zeit. In Parrsboro wurde nämlich 1985 der bisher grösste Fossilienfund von Nordamerika gemacht. Mehr als 100'000 Skelettteile buddelten die amerikanischen Wissenschaftler aus den Sandsteinfelsen aus. Die zum Teil 325 Mio. Jahre alten Fossilien stammen von Dinosauriern, Krokodielen, Haien und Fischen der Urzeit. Ausserdem erfahren wir, dass es nur wenige Plätze auf der Erde gibt, an denen alle grossen Felsarten der unterschiedlichsten Perioden der Geologischen Zeit enthalten sind. Nova Scotia hingegen, ist wie eine Suppe welche alle möglichen Felsarten sowie verschiedenen Mineralien enthält.